Wie Corona unsere Reise beendete

Reiseberichte, Weltreise

Wie Corona unsere Reise beendete

Street art in Seoul.
Die letzten Monate unserer Reise wussten wir oft nicht, ob der nächste Schritt, die nächste Reise wie geplant möglich war.

Vor vier Wochen kehrten wir, wie so viele andere, früher als geplant nach Hause nach Österreich zurück und unterbrachen damit unsere Weltreise als Familie. Und mit der Reise einen Traum, an dessen Verwirklichung wir zwei Jahre lang gearbeitet haben.

Aktuell sind wir damit beschäftigt, unser Leben neu zu ordnen, unter ziemlich merkwürdigen Umständen und einer absoluten Ausnahmesituation. Die vergangenen Wochen nutzten wir dafür, uns erst mal einzuleben, mit dem Gedanken anzufreunden, dass wir diese Reise in dieser Form nicht mehr fortsetzen werden können und unseren Fokus auf das Erlebte und die vielen Abenteuer zu legen. Wir sind dankbar für jeden einzelnen Reisemoment, überwältigt von der Unmenge an Fotos und den damit verbundenen Geschichten. Doch dazu bald mehr!

Reisen während der Coronakrise

Wir haben die ersten zwei Wochen des Jahres 2020 in Neuseeland verbracht und sind von dort zurück nach Asien gereist. Da China nicht auf unserer Reiseroute stand, war der Corona-Ausbruch in Wuhan bis dahin nicht viel mehr als eine Randnotiz für uns.
Trotzdem befassten wir uns in den Tagen vor unserer Abreise nach Malaysia eingehender mit dem Thema. Schließlich stand unsere Reiseroute noch nicht ganz fest. Wir wussten nur, dass wir die ersten Monate 2020 in Ostasien verbringen werden.

Die andere Epidemie in Malaysia

Malaysia hat eine große chinesische Community und das chinesische Neujahr stand vor der Tür. Offensichtlich war das Coronavirus in malayischen Medien viel präsenter als in Neuseeland. Es hat uns aber überrascht als uns unser Grab-Fahrer in Kuala Lumpur zuerst vor dem aktuellen Influenza-Ausbruch warnte und uns zu einer Impfung riet.

Blick über Kuala Lumpur von den Batu Caves
Um die großen Menschenmengen zu vermeiden, besuchten wir die Batu-Höhlen bei Kuala Lumpur frühmorgens.

Die letzten Monate waren aufregend und schön gewesen, die langen Roadtrips in Namibia, Australien und Neuseeland aber natürlich auch anstrengend. Also beschlossen wir, Malaysia zu besuchen, ohne es wirklich zu bereisen und zu erkunden (Sorry Malaysia) und stattdessen ein paar Dinge zu erledigen und an unserem persönlichen Wohlbefinden zu arbeiten.

In the distance and behind some skyscrapers we could see the skyline of Singapore
Bei gutem Wetter konnten wir bis zum Hafen von Singapur sehen. Aber von so weit oben war es auch spannend die monsunartigen Regenfälle über das Land ziehen zu sehen.

Wir haben uns eine Wohnung in einer luxuriösen Wohnanlage im Süden des Landes gegönnt. Zwei Tage lang haben wir es wirklich genossen, einen Swimmingpool, ein Fitnesscenter, ein Lego-Kinderspielzimmer und eine atemberaubende Aussicht von der 31. Etage in dem Komplex zur Verfügung zu haben. Dann wurde Doris mit richtig hohem Fieber krank. Kopfschmerzen und Muskelschmerzen, das volle Programm. Mit meinen umfassenden medizinischen Diagnosefähigkeiten und Google habe ich herausgefunden, dass es sich nur um eine von ungefähr zwanzig verschiedenen Krankheiten handeln kann und dass es wahrscheinlich viral ist.

Auf zum Arzt

Nach vier Tagen hielt das Fieber immer noch an und das Datum unserer Abreise nach Singapur rückte näher. In der Zwischenzeit verbreitete sich das Corona-Virus außerhalb Chinas und die meisten asiatischen Länder ergriffen drastische Maßnahmen. Bei einer ärztlichen Serviceline bekamen wir den Rat, einen Arzt aufzusuchen, um ein medizinisches Attest zu bekommen, da wir das möglicherweise für unsere Weiterreise benötigen würden. Immer mehr Menschen trugen Atemschutzmasken und auch wir begannen regelmäßig Händedesinfektionsmittel zu verwenden. Zu dem Zeitpunkt aber auch um das Risiko sich bei Doris anzustecken zu verringern. Der Coronavirus schien immer noch eine sehr ferne Bedrohung zu sein.

in the lobby of the Gleneagles hospital
Beim Warten auf unseren Guide im Gleneagles Hospital.

Es war Ende Jänner und zum ersten Mal erlebten wir Corona-Präventions-Maßnahmen hautnah. Doris und ich gingen in ein privates Krankenhaus um die Ecke von unserem Appartement, gleich neben dem Legoland. Am Eingang mussten wir unsere Kontaktdetails in eine Liste eintragen, unsere Hände desinfizieren und bekamen Einweg-Atemschutzmasken, die wir im Spital durchgehend tragen mussten.
Der Service im Krankenhaus war Weltklasse. Wir fühlten uns eher wie in einem seltsamen, aber schicken Hotel, als wir an der Rezeption empfangen wurden und ein Guide uns den Weg zum Arzt führte.

Positiv getestet, aber …

Die Ärztin meinte, es sei wahrscheinlich „nur“ Influenza, aber wegen der Coronakrise und unserer Reisen ist sie gesetzlich verplichtet SARS CoV-2 mittels Test aus zu schließen. Also schickte sie Doris zum Lungenröntgen, zur Blutabnahme und zum Abstrichtest auf Virusinfektionen. Danach durften wir nach Hause gehen. Ein paar Stunden später erhielten wir den Anruf, dass die Testergebnisse fertig waren. Der Test auf Corona war zum Glück negativ, aber positiv für die Influenza H1N1- 2009! Die andere Epidemie also.
Ich holte die Ergebnisse ab und erhielt einige zusätzliche Masken mit dem Hinweis die nächsten Tage zu Hause zu bleiben, da diese Influenza äußerst ansteckend sei. Dementsprechend kamen wir zu dem Schluss, dass die Kinder und ich wahrscheinlich auch in den nächsten Tagen flach fallen werden.

Wir hatten noch ein paar Tage Zeit und warteten auf den großen Ausbruch, aber nichts passierte. Obwohl wir ein Zimmer mit Doris teilen mussten bevor und als sie krank war, haben wir es glücklicherweise irgendwie geschafft, uns nicht anzustecken.

Die Inkubationszeit für H1N1 war bereits verstrichen, trotzdem befürchteten wir immer noch, dass einer von uns auf dem Weg nach Singapur, plötzlich Fieber bekommen würde. Wir hatten dort Betten in einem Pod-Hostel gebucht und waren nicht gut aufgestellt um schlimmsten falls ein krankes Kind zu versorgen. Darüber hinaus kam einen Tag vor Abreise in den Nachrichten die Meldung, dass Singapur keine Reisenden mit erhöhter Temperatur mehr ins Land lassen würde.

Wegen der genaueren Grenzkontrollen warteten wir etwas länger auf den Bus nach Singapur.

Zum ersten Mal vor der Wärmebildkamera in Singapur

Es war Ende Jänner und zum ersten Mal reisten wir mit Gesichtsmasken. Mit dem Bus von Legoland in Johor Bahru nach Singapur. An der Grenzstation mussten wir einen Korridor mit Wärmebildkameras auf beiden Seiten passieren und zum ersten Mal eine mehrseitige Gesundheitserklärung ausfüllen.

Unser erster Stopp in Singapur: The Sphere, die Mall am Fughafen.

Singapur war überfüllt und geschäftig. Viele Leute trugen Masken und es gab keine chinesischen Reisegruppen. Wenn es sich nicht vermeiden ließ in dichten Menschenmengen zu sein, setzten wir auch unsere Masken auf. Teilweise, um uns nichts einzufangen, aber auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir noch irgendwie ansteckend waren. Die Hände desinfizierten wir zum Schutz häufiger. Unser Pod Hostel war ziemlich cool und fühlte sich an wie eine Wohngemeinschaft. Es kam komplett ohne Rezeption und MitarbeiterInnen vor Ort aus. Den Griff in das große Keks-Glas für alle ließen wir trotzdem aus.

Wir besuchten auch den Foodmarket in Downtown und die Lichtshow bei den Supertrees. Viele Gedanken an Corona haben wir also nicht verschwendet. Auch nicht, als wir einen chinesischen buddhistischen Tempel in China Town besuchten.

singapore by night with the glowing eggs on the water and the skyline
Mit unserem einzigen Abend in Singapur hatten wir wirklich Glück. Es regnete ausnahmsweise nicht und wir konnten den ganzen Tag draußen verbringen und sogar am Abend die Lichtershow bei den Gardens By The Bay genießen.

Corona oder doch nur die Sonne – die Philippinen

Von Singapur flogen wir weiter auf die Philippinen. Singapur – Cebu war unser erster Flug mit Gesichtsmasken. Die Philippinen begannen drastische Maßnahmen zu ergreifen. Sie schickten sogar ein Flugzeug voller chinesischer Touristen nach China zurück, ohne dass jemand auf den Philippinen von Bord gehen durfte. Einen Tag später untersagten sie allen chinesischen StaatsbürgerInnen die Einreise. Davon abgesehen spezialisierten sich die philippinischen Behörden darauf, einem bei jeder Gelegenheit die Temperatur zu messen.

Grundsätzlich waren die spürbaren Auswirkungen der Coronakrise auf den Philippinen für uns die Abwesenheit von chinesischen Touristen, der plötzliche Sturz der Übernachtungspreise und ziemlich eigenartige Situationen mit medizinischem Amateurpersonal und Fieberthermometern. Meistens in Häfen, Hotels und Einkaufszentren.
Eine dieser denkwürdigen Situationen hatten wir am Hafen in Bohol. Wir standen 20 Minuten mit einer Schiffsladung Menschen in der prallen Sonne Schlange, während zwei Männer im Schatten eines Partyzeltes mit einem Infrarotthermometer die Temperatur jedes einzelnen Reisenden überprüften. Logischerweise hatten nach einer Weile nur diejenigen kein „Fieber“, deren Stirn mit etwas bedeckt war. Alle anderen hatten 38° C+ und mussten auf eine Registrierung und einen zweiten Test warten. Doris und die Kinder hatten auch fast 39 ° C, was offensichtlich nicht stimmten konnte, denn mit so hohem Fieber fühlt man sich definitiv anders. Sie schlichen sich dann einfach aus dem Chaos davon, als sich der Wartebereich mit Mitreisenden füllte.

Our favorite mode of transportation in the Philippines
Wir, vorallem die Mädels hatten große Freude mit den verschiedenen Transportarten auf den Philippinen.

Wir hatten ein 30-Tage-Visum für die Philippinen und einen Japan Rail Pass, der in Japan bis 12 Tage nach Ablauf unseres Philippinen-Visums aktiviert werden musste. Das war die letzte Lücke in unserer Reiseplanung und wir hatten drei Möglichkeiten: Auf den Philippinen zu bleiben und 200 € zahlen, um unser Visum zu verlängern. Direkt von den Philippinen nach Japan zu fliegen und dort wesentlich mehr Zeit als geplant zu verbringen oder am Weg nach Japan ein anderes Land einzuschieben.

Südkorea während dem Covid-19 Ausbruch

Look-out over parts of Seoul
Die Aussicht auf Seoul von einem der Hausberge war atemberaubend! Und wieder hatten wir wirklich Glück mit dem Wetter. Wir konnten die ganze Woche Frischluftprogramm machen.

So kam es, dass wir nach Seoul reisten als alle Länder begannen Südkorea wegen des plötzlichen Anstiegs von Coronafällen zur schwarzen Liste hinzuzufügen und mit Einreisesperren zu belegen. Als wir den Flug buchten gab es noch nicht einmal 30 Fälle in Südkorea.
Mitte Februar, nur 10 Tage vor unserem geplanten Flug meldeten die Nachrichten, dass die Anzahl der neuen Corona-Fälle in Südkorea auf mehr als 1700 Fälle an nur einem Tag angestiegen war.

Sollten wir stornieren oder nicht?

Unsere ersten Gedanken waren, ob wir den Flug stornieren und eine andere Lösung finden sollten. Dies wurde aber durch den Umstand erschwert, dass die voraussichtlichen Daten für die Kirschblüte in Japan eine Woche vorher veröffentlicht wurden und die Übernachtungspreise in ganz Japan auf das 4- bis 6-fache der Vorwoche angestiegen waren. Und damit würde eine zusätzliche Woche in Japan ein ziemliches Loch in unser Reisebudget reißen.

Sparkling artpieces of poop in Seoul
Sogar in den besch*****sten Situationen finden sich Lichtblicke. Wir fanden die passenden Skulpturen dazu in Seoul.

Wir entschieden uns also vorerst nichts zu entscheiden. In den nächsten Tagen verfolgten wir die Nachrichten genau und ich recherchierte online viel über das Virus im Allgemeinen und insbesondere über die Situation in Südkorea. Ich war beeindruckt von der schnellen Reaktion der koreanischen Behörden und auch von der Fülle detaillierter Informationen über die Cluster und Infektionsketten. Es hatte alles Hand und Fuß.

Wir kamen also zu dem Schluss, wie geplant weiterzureisen. Hauptsächlich weil das Epizentrum des koreanischen Covid-19-Ausbruchs, die Stadt Daegu, isoliert und 3 Stunden von Seoul entfernt war. Wir wollten nur Seoul besuchen und zu diesem Zeitpunkt gab es in der Hauptstadt nur 60 bestätigte Fälle. Nach dem, was ich bisher heraus gefunden hatte, dachte ich: Wenn ein Land mit der Situation klar kommt, dann Südkorea.

Seoul: Wir kommen wieder

In front of We Love Seoul piece with a blue guitar in Ihwa-Dong
Im Ihwa Mural Village in Seoul suchten wir einen Nachmittag lang die Straßen nach Street Art ab.

Wir haben uns in Seoul verliebt. Es war eine seltsame Woche und eine seltsame Stimmung; Covid-19-Vorsichtsmaßnahmen waren allgegenwärtig; Alle Museen und die meisten Indoor-Attraktionen waren geschlossen; Trotzdem hatten wir eine großartige Zeit. Wir sind uns aber einig, dass wir Seoul unbedingt mal im Normalbetrieb besuchen müssen.
Was uns dabei beeindruckt hat, war, dass es keine überzogenen Maßnahmen gab. Die Südkoreaner hatten die Infektionsketten auf eine bestimmte Region eingegrenzt und diese gesperrt, aber im Rest des Landes waren die Menschen immer noch auf den Straßen. Weniger und vorsichtiger, aber das öffentliche Leben funktionierte.

Es gab überall Händedesinfektionsmittel und viele Geschäfte hatten eine gute Auswahl an Gesichtsmasken. Wir bekamen vom Rezeptionisten unserer Unterkunft detaillierten Rat worauf wir beim Kauf von Masken achten sollten. Es gab viele Hinweisschilder über Verhaltensregeln und auch öfters die Erklärung, dass man mit einer Atemschutzmaske vorallem die Anderen schütze und damit die Ausbreitung von Krankheiten verhindern kann. Südkorea war offensichtlich auf eine solche Situation vorbereitet und wir fühlten uns sicher und wohl.

Die Fallzahlen sind auch in Seoul gestiegen, aber zum Zeitpunkt, an dem ich dies schreibe, gibt es 595 bestätigte Fälle in Seoul, 2.015 in Wien und 190.200 in New York. Weder Wien noch New York hatten zu diesem Zeitpunkt offiziell gemeldete Fälle, als wir vor knapp zwei Monaten in Seoul waren.

Die unsichtbaren Maßahmen – Coronakrise in Japan

Wir verließen Seoul um nach Japan zu reisen. Japan war eines der wenigen Länder, in denen Reisende aus Südkorea im Allgemeinen noch kein Einreiseverbot hatten. Es gab nur ein Einreiseverbot für Reisende aus Daegu und die angrenzenden Regionen. Am Weg zum Flughafen, an einem Freitag um 5 Uhr morgens erfuhren wir, dass Japan diese Maßnahmen gerade verschärft hatte. Ab Samstag, 0.00 Uhr, müssten alle Reisenden, die aus Südkorea nach Japan kommen, automatisch zwei Wochen lang in Quarantäne. Und zwar in speziellen Einrichtungen in den Flughäfen.

Wir hatten wirklich Glück, 12 Stunden vor Inkrafttreten dieser Maßnahme in Japan anzukommen.
Es war eine sehr seltsame Stimmung am Flughafen bei unserer Ankunft. Es liefen bereits Vorbereitungen, um Reisende aus Südkorea auszusondern und von anderen Reisenden zu trennen. Eine improvisierte Beschilderung, die aus handgeschriebenen Zetteln mit der Aufschrift „From Seoul“ bestand, führte in ein Labyrinth aus gelb-schwarz gestreiftem Klebeband, den Gepäcksförderbändern und improvisierten Zollstationen.
Während Doris noch ein bisschen irritiert war, bekamen die Kinder und ich sofort einen Adrenalin- und Endorphinflash, als wir durch den Ausgang des Flughafens von Osaka gingen. Wir waren wirklich froh, dass wir es geschafft hatten, nach Japan zu kommen.

Erste Eindrücke

Todaiji Tempel in Nara
Nara: Zum Glück hindern Atemschutzmasken niemanden am Räder schlagen. Schon gar nicht Sophia.

Unser erster Eindruck von Japan war ganz anders als erwartet. Wir hatten gedacht, es sei hier ähnlich wie in Seoul. Aber nicht. In unserem Zug waren Leute, die keine Gesichtsmasken trugen. Im Allgemeinen schien niemand so besorgt zu sein wie im von der Coronakrise gebeutelten Südkorea. Ein Mann war offensichtlich krank und wischte sich mit fast jedem Zentimeter seiner Hand über die laufende Nase. Wir waren schockiert. In Seoul wäre das undenkbar gewesen. Er hätte dort wahrscheinlich den Zug ganz für sich allein gehabt. Zum Glück saß am anderen Ende des Wagons und wir mussten nicht in seine Nähe kommen. Trotzdem schienen Covid-19 und die Coronakrise in Japan nur eine Randnotiz zu sein.

In Osaka übernachteten wir in einem Hostel im berühmten Stadtteil Den-Den. Die Gegend ist bekannt für Anime- und Gaming-Läden. Während die Straßen überfüllt waren, war unser Hostel leer. Wir hatten unser kleines Tatami-Zimmer und die allgemeinen Bereiche – eine Gästeküche und eine Dachterrasse – für uns. Um ehrlich zu sein, haben wir dort eine Weile gebraucht, um uns an Japan zu gewöhnen. Vielleicht auch weil wir uns bewusst waren, dass wir extra vorsichtig sein mussten. Hätte ja schließlich sein können, dass wir den Virus aus Südkorea mitgenommen haben. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir wesentlich vorsichtiger sein müssten als die Menschen in Japan selbst es waren.

Japan Rail Pass während Covid-19?

Zunächst wollten wir unseren Japan Rail Pass voll ausnutzen und innerhalb der ersten zwei Wochen in Japan so viele Reisen wie möglich unternehmen. Die letzte Woche wollten wir in Tokio verbringen. Deshalb hatten wir vor unserer Ankunft in Japan bereits Aufenthalte in Osaka, Kyoto und Fukuoka gebucht. Offensichtlich war das kein sehr Corona-fähiger Plan. Also beschlossen wir, die geplanten Reisen zu unternehmen, mit gegebener Vorsicht und viel Natur. Danach wollten wir uns irgendwo niederlassen und von dort aus kleinere Tagesausflüge machen, sehen wie sich die Dinge entwickelten und flexibel bleiben.

Durch den Inari Schrein laufen
The Inari-Shrine in Kyoto

Kyoto hat es uns angetan und wir beschlossen, nach unserer Reise nach Fukuoka, mit Zwischenstopp in Hiroshima zurückzukehren und uns hier niederzulassen.

Das Leben in Japan schien normal und von der Pandemie unbeeindruckt zu sein. Zwar gab es am Eingang jedes Geschäfts Desinfektionsmittel. Auch die Züge waren nicht so voll, da viele japanische Unternehmen ihre MitarbeiterInnen ins Teleoffice geschickt hatten.

Aber wir dachten, dass die Pandemie hier nicht ernst genug genommen wird.

Wir brauchten eine Weile…

Bis wir in Fukuoka ein kleines Detail bemerkten . Jedes Mal, wenn jemand das Café Starbucks (in dem wir uns öfters aufhielten) betrat, begann ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eine Tour durch das Lokal, sammelte Geschirr ein und säuberte wie nebenbei auch die Türgriffe, Sessellehnen und Tische mit Alkohol. Japan ist unglaublich detailverliebt und so wurde auch mit dieser Situation umgegangen. Es gab keine große Panik und drastischen Maßnahmen, aber viele rücksichtsvolle, vorsichtige und unauffällige Maßnahmen, die vermutlich auch ihre Wirkung hatten.

Irritiert von Artikeln westlicher Medien, die über eine Vertuschung der Fallzahlen durch die japanische Regierung spekulierten, suchte ich Informationen über den Status der Pandemie in Japan. Ich war tatsächlich ziemlich überrascht, äußerst detaillierte und dennoch gut zusammengefasste Berichte auf den offiziellen Regierungswebseiten zu finden. Man konnte die Fälle pro Stadt und Präfektur checken. Die Ergebnisse zeigten Fälle mit ihrem Bestätigungsdatum, demographischen Details und dem aktuellen Status (getestet, in Quarantäne, im Spital, milder oder schwerer Verlauf, Tod oder Genesung).
Diese Art von Daten ist nicht unpraktisch in einem Land, in dem täglich tausende von Menschen hunderte von Kilometern zurücklegen. Auch wenn dort nur sehr wenige Tests durchgeführt wurden, gab es uns eine Vorstellung von den zu vermeidenden Hotspots.

Das detailverliebte Japan

Unterwegs bemerkten wir immer mehr von den angesprochenen Details. Etwa in Geschäften, die einen zusätzlichen Tisch vor die Kassa gestellt hatten, sodass ein Mindestabstand garantiert war oder MitarbeiterInnen in Supermärkten die den Einkaufenden die Ware aus dem Selbstbedienungsbereich übergaben, damit nicht jeder da herumkramte.
Am meisten beeindruckte mich allerdings, als wir nach Kyoto zurückkehrten und unser Gepäck aus den Schließfächern im Bahnhof abholten. Wir schlossen das Schließfach über ein Touchscreen-Panel auf und holten unsere Rucksäcke heraus. Im selben Moment tauchte ein Mann wie aus dem Nichts auf, säuberte den Touchscreen und den Griff des Schließfachs mit Alkohol und verschwand genauso schnell wie er aufgetaucht war wieder.
Dies geschah so schnell und unauffällig direkt neben uns, dass ich tatsächlich der einzige war, der es überhaupt bemerkte. Das war Coronaprävention auf Ninja-style, wirklich!

Big rocks in the water to cross the River in Kyoto
The most creative way to cross a river! We didn’t want to leave this awesome spot at the Kamo River in Kyoto

Wir haben uns in Kyoto richtig wohl gefühlt. Unsere Reisepläne sind auf ein Minimum geschrumpft. Die Unterkunftspreise waren im Keller, also haben wir uns ein schönes Reihenhäuschen gemietet und viel Zeit im Freien und in der Natur verbracht. Glücklicherweise ist Kyoto eine tolle Stadt mit unzähligen Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten im Freien. Wir wohnten in Minami-ku, einem authentischen japanischen Viertel und nur wenige Minuten vom Flussufer entfernt.

Das machte es uns einfach, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Wir waren nur einen angenehmen Spaziergang am Flussufer von den meisten Attraktionen der Stadt entfernt.

Warum wir die Reise abgebrochen haben

Anfang März starb der Großvater von Doris zu Hause in Österreich. Keine Frage, wir würden unsere Reise unterbrechen und nach Hause fliegen! Wir hatten sogar eine Reiseversicherung, die die Unterbrechung der Reise abdeckte und uns zu einem späteren Zeitpunkt die Reise fortsetzen lassen würde.

Zu dem Zeitpunkt ging die Zahl der Corona-Fälle in Europa durch die Decke. Die österreichische Regierung setzte ziemlich drastische Maßnahmen, um eine ähnliche Entwicklung wie im benachbarten Italien zu verhindern. Plötzlich hatte sich das Szenario komplett geändert. Während wir die letzten Wochen besorgte Nachrichten erhielten und unsere Liebsten uns gebeten haben, in Asien aufzupassen und in Sicherheit zu bleiben, schickten wir plötzlich sehr ähnliche Nachrichten nachhause.

Zum Glück bieben wir zusammen

Zu Hause war auf einmal kein sicherer Hafen mehr. Im Gegenteil, Europa war nach China der letzte Ort an dem man sein wollte. Wir haben sogar überlegt, uns zu trennen, sodass Doris alleine zur Beerdigung nach Hause fliegen würde. Während ich mit den Kindern in Japan bleiben würde. Zum Glück haben wir das nicht gemacht. Mitte März forderte das österreichische Außenministerium alle Österreicher auf, nach Hause zurückzukehren, solange dies noch möglich sei. Es war bereits wahrscheinlich, dass der Flugverkehr in und nach Europa vorerst eingestellt werden würde. Und auf lange Sicht auf ein Minimum reduziert.

Pedestrian signs in Kyoto Japan
Silly-Walk in Kyoto

In der gleichen Woche erreichte die Corona-Krise Amerika und die USA kündigten ein Reiseverbot für europäische BürgerInnen an. Der Wortlaut war ziemlich ungenau und niemand konnte uns sagen, ob dies nur Reisende betraf, die direkt aus Europa in die Staaten einreisen, oder generell Reisende mit EU-Pass. All dies geschah, als wir bereits in Japan waren, eines unserer Hauptziele dieser Reise und einen Monat vor unserer lang ersehnten Reise nach Hawaii.

Wir mussten eine Entscheidung treffen

Wir befanden uns in der wirklich schwierigen Situation, eine Entscheidung treffen zu müssen. Denn wir wussten im Voraus, dass es keine Option gibt, mit der wir uns wohl fühlen würden. Nach dem US-Reiseverbot für Europäer, einer Häufung von Fällen in den USA und ohne die finanziellen Mittel eine mögliche Quarantäne in Hawaii zu stemmen, war unsere geplante Route keine Option mehr. Eigentlich waren wir uns auch nicht sicher, wie vertrauenswürdig die Nachrichten zu den wenigen bis nicht vorhandenen Corona-Fällen in den USA waren.

Our two kids watchin sumo Basho in Japan
The kids enjoying Japanese culture while staying home in Kyoto.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Hawaii noch keine Fälle gemeldet. Während in Japan drei Reisende nach dreiwöchigem Urlaub in Hawaii unter Quarantäne gestellt wurdn. Sie waren bei ihrer Rückkehr von Hawaii am Flughafen positiv getestet worden.

Wir hatten also grundsätzlich die Möglichkeit, entweder in Japan zu bleiben, so schnell wie möglich nach Österreich zurückzukehren oder einen anderen Ort zu finden, um der Coronakrise zu entkommen. Wir haben sogar darüber gesprochen, unsere Route zu ändern und nach Martinique zu fahren, da dies technisch gesehen Europa war.

Es ist kompliziert

Wir wurden aus Österreich benachrichtigt, dass der Wiener Flughafen aufgrund der Coronakrise bereits nur mehr zu 20% in Betrieb war und innerhalb der nächsten Woche vollständig stillgelegt werden könnte.
Dies war für uns schließlich ausschlaggebend dafür schnellst möglich ein Ticket nach Wien zu kaufen. Es war einfach zu ungewiss, wann und ob wir in den folgenden Monaten zurückkehren könnten.

Dass wir aber immer noch innerhalb der 14 Tage-Frist nach der Ausreise aus Südkorea waren, verkomplizierte die Situation ein bisschen: Ohne ein Gesundheitsattest mit negativem Testbescheid hätten sie uns de facto auf keinen Flieger gelassen. Aber in Japan (wie überall sonst) war es fast unmöglich, ohne Symptome überhaupt getestet zu werden. Um zu verhindern, dass wir auf dem Heimweg irgendwo hängen blieben, mussten wir warten bis die 14 Tage nach unserer Abreise aus Seoul vorüber waren. Schließlich buchten wir den Flug für den ersten Tag nach Ablauf dieser Frist.

Nach Österreich zurückzukehren war am Ende die einzig realistische und sinnvolle Option, aber wir waren nicht glücklich damit. Es war auch ein bisschen verrückt, ein Land zu verlassen, in dem scheinbar alles unter Kontrolle war. Vorallem um nach Europa zu reisen, das zu diesem Zeitpunkt die Region mit den meisten Fällen weltweit war.

Always look on the bright side of life

We had some long walks in Seoul during the Corona Crisis and the two girls posed Maori style next to extra large comic figures.
Seit wir in Neuseeland waren hören unsere Kinder nicht mehr auf für Fotos wie echte Maoris zu posieren. In unserem Viertel in Seoul gab es viele Comic-Charakteren als Skulpturen oder auf die Häuser gemalt. Da war es zum Glück leicht die Kids zu langen Spaziergängen zu überreden und auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel während der Coronakrise zu verzichten.

Nach unserer Einreise nach Österreich mussten wir zwei Wochen lang in selbstüberwachte Heimquarantäne. Trotz angekündigter Kontrollen wurden wir leider nicht kontrolliert, dabei haben wir uns wirklich brav daran gehalten, dank unserer Familie, Freundinnen und Freunde, die für uns eingekauft haben und/oder uns mit Spiel- und Bastelsachen versorgt haben. Nach der Quarantäne beginnen wir nun uns endlich wieder niederzulassen und zu ordnen. Selbst wenn die Coronakrise nicht der Grund war, warum wir unsere Reise unterbrochen haben, wird sie nach derzeitigem Stand ziemlich sicher der Grund sein, warum wir unser großes Projekt nicht fortsetzen können.

Die Reiseversicherung gilt nur bis Ende Mai, in die USA will, kann und soll man auch nicht so recht. Außerdem bräuchten wir für die restliche Route mindestens ein Zeitfenster von 5 Wochen. Das wird sich mit einem Schulkind und unserem Projekt im August in Graz wohl nicht sobald wieder auftun.

Trotzdem sind wir unglaublich dankbar für all die aufregenden Länder und schönen Momente, die wir auf unserem großen Abenteuer erleben durften. Wir sind froh, dass wir zumindest so weit gekommen sind. Ein positiver Aspekt ist, dass Sophia jetzt etwas mehr Zeit hat, sich auf die Schule vorzubereiten. Und wir haben Zeit, um alle unsere Fotos, Videos und begonnene Blogartikel durchzugehen. Daran werden wir euch natürlich gerne teilhaben lassen!


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